top of page
Button2.PNG

​Die Statue

​

Noch nie hatte sie ein solches Lächeln gesehen. Die Göttliche Mutter hatte sie angenommen. Rosalie kämpfte mit den Tränen, Tränen des Glücks.

Sie war erst 11 Jahre alt gewesen, als ihre Mutter gestorben war. Sie erinnerte sich noch gut an diesen Winter - der härteste Winter, den sie jemals erlebt hatte.

Sie war das älteste der Kinder . Die Mutter hatte ihr auf dem Totenbett aufgetragen, gut für den Vater und die Kleinen zu sorgen. Sie hatte Tränen dabei in den Augen gehabt, wusste sie doch, dass sie ihrer Tochter eine zu schwere Bürde auf die Schultern gelegt hatte.

So endete Rosalies Kindheit, und begann sie wie selbstverständlich das Zepter des Haushaltes in die Hand zu nehmen. Kochen konnte sie noch nicht – und so gab es Rührei so lange, bis sie diese Kunst beherrschte. Danach nahm sie sich das nächste Gericht vor. Der Vater rügte sie nie, er liess sie walten und ass, was sie auf den Tisch brachte, was es auch war. Die vier Kleinen waren lange Zeit viel zu verstört, um zu merken, was Rosalie zu kochen versucht hatte ,und was sie überhaupt leistete.

So vergingen Jahre der Arbeit und des Verzichts. Vor allem des Verzichtes auf Lernen.

 

Rosalie hielt sich immer aufrecht, egal, welche Lasten sie trug, nie beugte sie darunter den Rücken. Dazu war sie zu stolz.

Allerdings beugte sie, wenn niemand es sah, ihre Kniee.

Seit Mutters Tod war sie jeden Tag zwei Stunden eher als die anderen aufgestanden und als erstes ,noch bevor sie etwas gegessen hatte, in die nahe gelegene Kapelle gegangen.

Es war eine alte, schon etwas baufällige kleine Kapelle. Gottesdienste wurden schon lange nicht mehr abgehalten – es war ein Wunder, dass niemand die Kapelle bislang geschlossen hatte. Nur die Marienfeiertage, die wurden begangen. Da kam dann ein Priester zu Fuss aus dem nächsten Dorf.

Rosalie war jeden Tag hier, auch, wenn es ab und zu ein wenig durch das Dach regnete. Sie hatte sich angewöhnt, vor der Mutter Gottes zu knien und ihr zu erzählen, was sie am Tag so vorhatte, welches der Kleinen ihr gerade Kummer bereitete, dass sie den Braten mal wieder verhauen hatte und der Vater angefangen hatte mit dem Trinken.

Ab und zu hatte sie geglaubt, ein interessiertes Funkeln in den so lebendig gemalten Augen der Guten Mutter zu sehen.

So begann sie ihr auch zu erzählen, was sie im Radio gehört, oder in der Zeitung gelesen hatte. Sie erzählte von den Ernten, den kleinen und doch so bedeutsamen Begebenheiten im Ort, den erstaunlichen Erfindungen, die in der grossen Welt, die so weit entfernt war,

 

Und die Mutter Gottes hörte stets aufmerksam zu. Rosalie hatte keine Ahnung, wie gut das Gedächtnis der Marienfigur war, wie sehr sie verstand, und wie sehr sie sie liebte.

 

Rosalie war eine der absoluten Lieblinge der Mutter Gottes. Das lag daran, dass das junge Mädchen ohne Frage jede Herausforderung annahm, die das Leben an sie stellte. Niemals klagte sie, niemals hörte man einen Laut des Vorwurfs aus Rosalies Mund.

Diese Stärke im Tragen war es, das die Mutter Gottes auf dieses Mädchen aufmerksam werden liess.

Und ein zweites fiel der Statue auf:

Rosalie redete zu ihr, wie sie zu einer geliebten Mutter reden würde. Sie betete sie nicht an, oh nein! Sie besprach die alltäglichsten und doch so wesentlichen Begebeheiten mit ihr, sie fragte sehr ehrlich nach der Meinung der Guten Mutter zu diesem oder jenem. Und kam ihr dann ein guter Gedanke, zweifelte Rosalie nicht im Mindesten daran, dass dies die Antwort der Guten Mutter auf ihre Frage war.

Es kam der Tag, da war Rosalie auch dem Alter nach erwachsen. Um den Vater musste man sich nun ständig kümmern, aber das würde der jüngste der Brüder übernehmen. Die anderen waren schon aus dem Haus:

Karen hatte das Friseurhandwerk gelernt und würde sich nächsten Monat verloben.

Bubi war Tischler geworden und zauberte, wenn er nicht gerade an irgendeinem Auftrag arbeitete, die schönsten Dinge, Figuren von Menschen und Tieren, aus dem Holz, das so sehr zu seinem Medium geworden war.

Heiner war fort gezogen, als er 14 war. Er hatte sich nun schon einige Jahre nicht mehr gemeldet. Rosalie trauert um ihn, er war ihr Vertrauter gewesen in der Zeit ihrer gemeinsamen Kindheit. Aber was sollte man manchen? Man konnte nur warten.

Und Peterle, der Jüngste, hatte sich beim Feuern des Ofens die rechte Hand verbrannt. Sie war nun verkrüppelt. Aber er hatte diese Hand sehr gut durch die Linke ersetzt. Lehrstelle bekam er keine, aber die Gedichte, die er schrieb, waren mit der Linken fast noch besser geworden als sie gewesen waren, als er noch beide Hände zur Verfügung gehabt hatte.

Er träumte davon, einen Gedichtband zu veröffentlichen. Geld war genug im Haus, so versorgte er nun den Haushalt, kümmerte sich um den Vater und sass ansonsten im alten Lehnstuhl am Fenster und schrieb. Er erinnerte sich nicht mehr, aber Rosalie wusste es noch genau: es war dieser Lehnstuhl, in dem die Mutter immer gesessen und genäht und geflickt hatte, wenn die Kinder schon im Bett und die anderen Arbeiten im Haus erledigt waren.

​

Und Rosalie? Was war aus ihr geworden?

Rosalie hatte sich verliebt. Sie war nun siebzehn, eine schöne, ein wenig herbe junge Frau. Ihr aufrechter, stets ruhiger Gang liessen sie unter den anderen Schönen des Dorfes hervorstechen. Am meisten aber fielen ihre Augen auf und ihr Lachen. Woher hatte sie diese Augen? Und woher das Lachen?

Auch der Vater hatte sich das oft gefragt. Seine verstorbene Frau war keine Schönheit gewesen. Er hatte sich in sie verliebt wegen ihres guten Herzens und ihres unbekümmerten Humors. Rosalies Augen fanden keine Erinnerung in dem Gedächtnis des vorzeitig alt gewordenen Mannes. Weder seine Mutter, noch seine Schwiegermutter hatten diese auffallenden, leuchtend blauen,ein wenig schräg stehenden Augen über den leicht hervorstehenden Wangenknochen gehabt.

Und das Lachen! Was hatte Rosalie für ein köstliches Lachen! Man hörte es nur selten, Rosalie war ein aufmerksamer, ernster Mensch geworden. Aber wenn man es hörte, begann auch in den düstersten Stuben die Sonne zu leuchten.

Sanft und voll, wärmend war dieses Lachen. Es war, als sei dieses Lachen älter als Rosalie.

Selten hatte der  Vater seine Tochter gelobt, nie hatte er auch nur einen Funken Kritik an ihr geübt. Er ahnte, welch ein Schatz, welche Kostbarkeit sie war.

 

Es war Ferdinand, in den sie sich verliebt hatte.

Ferdinand war mittlerweile 27 Jahre alt. Es mochte so um die 10 Jahre her sein, dass er in das Dorf gekommen war – woher, hatte er niemals gesagt.

Niemand kannte seine Eltern, niemand wusste irgendetwas von ihm. Und er beliess es dabei. Er war vom Gärtner aufgenommen und wie ein Sohn behandelt worden. Niemals forschte der Gärtner das Herz des ihm liebgewordenen Lehrlings aus. Er brachte ihm alles bei, was er wusste – und gab ihm auch Geheimnisse weiter, die er von seiner Mutter noch übernommen hatte. Niemals war seiner Mutter auch nur eine einzige Pflanze zugrunde gegangen. Welche Blume auch immer in ihrer Obhut war, gedieh besser als jeder erwarten konnte. Die Rosen trugen grössere Blüten als an den Sträuchern in anderen Gärten, die Schachbrettblumen blühten beinahe über 10 Jahre hindurch jedes Jahr immer wieder, es gab Kräuter in ihrem Garten, deren Namen nicht einmal irgendjemand wusste – und sie verstand die feinsten Gerichte mit ihnen zu bereiten und seltsamsten Heiltränke und -öle.

Er selber hatte die Gabe nicht geerbt, aber er erkannte sie in Ferdinand wieder und weihte ihn ein, so gut er es vermochte.

Ferdinand war kein schöner Mensch im üblichen-Sinne. Seine Gesichtszüge waren

unregelmässig, ein Bein ein wenig kürzer als das andere. Aber er strahlte einen Frieden aus, der ihn überaus anziehend machte. Und seine leuchtenden Augen schienen ein ständiges „Wie schön ist doch diese Erde“ zu signalisieren.

Überall war er gerne gesehen. Man fühlte sich einfach wohl in seiner Anwesenheit.

Ferdinand und Rosalie taten einander gut. Unter seinen fürsorglichen Augen entspannte sich Rosalie von Jahr zu Jahr mehr. Und ihr aufgeweckter Geist machte sie zu einem anregenden Gesprächspartner für den belesenen jungen Mann. Dadurch,dass Rosalie niemals die Zeit gehabt hatte, etwas zu lernen, hatte sie das Leben aus einem für ihn ungewöhnlichen Blickwinkel zu betrachten gelernt. Und immer, wenn er über etwas, was er gelesen oder sich sonst so dachte, mit ihr sprach, hatte sie Gedanken und/oder Antworten dazu bereit, die ihn stets überraschten und alles noch einmal von vorne überdenken liess.

Er hatte sich verliebt – nicht in den aufrechten, ruhigen Gang, nicht in diese wundervollen Augen und auch nicht in das Lachen, dass so mitreissend war. Er hatte sich in Rosalie verliebt um ihrer Tapferkeit, ihres Mutes wegen.

Und hier war die Mutter Gottes vollkommmen mit Ferdinand einer Meinung.

Es war am Tag vor der Verlobung, dass Rosalie ihrem Liebsten von der Mutter Gottes erzählte. Sie vertraute ihm die Gespräche, die Liebe an, die sie zu dieser Statue, deren Farben schon leicht verblasst waren, empfand.

Und sie bat ihn, mit ihr zu kommen. „Ich möchte Dich meiner Mutter vorstellen“, sagte Rosalie so selbstverständlich, als würde es sich um ein Kaffetrinken zu Hause bei den Eltern handeln.

Ferdinand lachte nicht. Er achtete Rosalie zu tief, um sie nicht sehr ernst zu nehmen. Zwar glaubte er nicht an die Lebendigkeit von Statuen, auch nicht von Marienstatuen. Aber er hatte gehört, dass die Kapelle nun doch geschlossen, vielleicht sogar abgerissen werden sollte.

Und in seinem ruhigen Geist wälzten sich Überlegungen, wie man die Statue vor der Vernichtung retten konnte. Jemand, den Rosalie so sehr liebte, musste man schützen, fand er.

​Wieder war es Winter, diesmal einer der sanften. Es war kalt, sehr kalt, und es lag Schnee. Tagsüber hatte die Sonne geschienen, die weissen Kristalle hatten ihren Zauber weit über das Dorf hinaus geworfen. Und nun, als die Sonne schon lange verschwunden war, war es dieser Schnee, der die Dunkelheit erhellte, und mit freundlichem Glitzern die Weg zur Kapelle wies.

Die beiden jungen Leute gingen Hand in Hand, schweigend. Rosalie war es sehr feierlich zumute. Wie würde die Gute Mutter reagieren? Ob sie Ferdinand auch so gern haben könnte, wie sie, Rosalie? Niemals würde der Tag kommen, an dem Rosalie auch nur der allerkleinste Zweifel an der Lebendigkeit und dem ehrlichen Interesse der jungfräulichen Mutter an ihrem Leben kam. Immer noch sprachen die Gute Mutter und Rosalie miteinander, Rosalie erzählte und die Mutter Gottes gab ab und zu guten Rat. „Ab und zu“ deshalb,weil Rosalie selten eines Rates bedurfte – meistens regelte sie sehr phantasievoll und intelligent ihre Angelegenheit zum 4

Besten aller.

Ab und zu allerdings gab auch Rosalie der Guten Mutter einen Rat – erzählte ihr, wer im Dorf der Hilfe dringend bedurfte, machte auch durchaus deutlich klar, was sie von der Handlungsweise der Guten Mutter hielt, wenn ein Todesfall Unglück über eine Familie gebracht hatte oder eine Krankheit Not über einen Menschen. Und jedes Mal erklärte die Gute Mutter Rosalie, was sie sich in diesem oder jenem Fall so gedacht, oder worum ihr lieber Sohn sie gebeten hatte. So lernte Rosalie. Sie, die niemals eine Schule besucht hatte, bekam doch die beste Lehrerin, die es im weiten Umkreis gab. Die seltsame Ausbildung Rosalies gab ihr einen Überblick über das menschliche Dasein, die gottgewollten Fügungen, und vor allem die Verflechtungen, die es, meist ohne dass es jemand ahnte, gab zwischen dem menschlichen und dem göttlichen Sein gab.

Sie erfuhr, wie untrennbar Göttliches und Menschliches miteinander verbunden waren – nicht, weil irgend ein unentrinnbares Schicksal es so gewollt hatte, nein.

Die Liebe hatte dies gewollt, die göttliche Liebe. Es gab eine Art Verlobung zwischen göttlicher Liebe und der menschlichen Seele, ein Bund war geschlossen worden, wann und wo auch immer. Die menschliche Seele, die von diesem Bund meistens gar nichts ahnte, war daran ebenso gebunden wie die göttliche Liebe, die allein durch ihre Treue, nicht durch irgendeine Verpflichtung sich an diesen Bund hielt und ihn halten würde, solange es Menschen gab.

Dies und mehr erfuhr Rosalie. Daran dachte sie, jetzt, als sie Ferdinand zur Kapelle führte. Sie hatte sich das schönste Kleid angezogen und ihre Frisur sorgfältig gerichtet. Sie hatte auch Ferdinand gebeten, sich fein zu machen.

 

So betraten sie die Kapelle, für Rosalie sollte es, was sie noch nicht wusste, das letzte Mal sein.

Es roch nach Moder, der Schimmel war durch das alte Holz gekrochen. Von einigen Stellen tropfte es vom Dach auf den Steinboden hinunter.

Vor der Mutter Gottes zündete Rosalie eine Kerze an. In ihrem Herzen stellte sie Ferdinand offiziell der Guten Mutter vor und bat um ihren Segen. Die beiden jungen Leute knieten nieder und wurden still. Rosalie, weil sie nur so der Guten Mutter lauschen konnte, Ferdinand, weil er gespannt war, was nun geschehen würde.

Eine lange Weile geschah gar nichts; bis Ferdinand unauffällig zu Rosalie herüber sah.

Noch nie hatte er ein solches Lächeln gesehen, noch nie n seinem Leben. Es war dies, so dachte Ferdinand, nicht das Lächeln eines menschlichen Wesens.

„Nun kränke mich nicht, Sohn“, klang in seinem Inneren eine Stimme, an dem ihm irgendetwas bekannt vor kam. Es war das Lachen, das darin zitterte. Das war Rosalies Lachen.

Aber sie hatte kein Wort geredet. Er wandte seine Augen empor zu der Statue und erstarrte. Sie blickte jemanden an, aber nicht ihn. Ihre Augen waren ganz klar auf Rosalie gerichtet.

​

„Wie bitte?“ stotterte er (er hatte doch nicht etwa laut geredet?). „Das Lächeln auf dem Angesicht Deiner Liebsten IST das Lächeln eines menschlichen Wesens. Es ist Rosalies Lächeln. Ich habe es ihr geschenkt.“ - „Oh!“ Ferdinand schien es klüger zu sein, nichts zu sagen.

Die Gute Mutter half ihm aus seiner Verlegenheit – und nun waren ihre schon ausgeblichenen Augen auf ihn gerichtet. „Für Dich ist Maria nur eine Statue in einer Kapelle. Für meine Tochter ist Maria der Schatz in ihrem eigenen Herzen. Das Lächeln auf ihrem Gesicht konnte ich ihr schenken, weil es in ihrem Herzen schon lange leuchtete.

Das Lächeln, das nicht das Lächeln eines Menschen ist, und darum das Lächeln eines hjeden WAHREN Menschen ist, liegt im Herzen eines JEDEN – nur wissen die wenigstes es in sich lebendig werden zu lassen..

Der dieses Lächeln in sich zu wecken weiss, der gebiert in die Welt MEINEN Sohn.“

Die Stimme, die ihn ihm klang wurde lauter, dröhnte durch seinen Körper, einen Körper, der zum Klingen gebracht wurde. Er war nicht mehr er selber. Er war zu einem Instrument geworden, das von Künstlerhänden gespielt wurde....“Ja“,murmelte er, und wusste es nicht.

Rosalie hatte neben sich eine Bewegung gespürt und sah zu Ferdinand hinüber.

Seine Augen waren weit geöffnet auf die Mutter Gottes gerichtet. Sein Körper war gestrafft, die Wirbelsäule gebogen wie die Seite einer Geige; und ein sanftes Glühen lag um ihn herum, wie sie es manchmal an der Guten Mutter gesehen hatte.

Da wusste sie, die Gottesmutter hatte ihre Wahl akzeptiert. Und jetzt, zum ersten Mal seit dem Tode der Mutter, weinte Rosalie; und sie wurde auf das Zärtlichste getröstet in dieser und in der anderen Welt.

Am nächsten Tag war die Verlobung und die geladenen Gäste hatten weder Rosalie noch Ferdinand jemals so strahlen gesehen. Und, seltsam, es war ihnen noch nie aufgefallen, dass die beiden Ähnlichkeit miteinander hatten.

Am selben Tag noch wurde die Kapelle abgerissen. Rosalie war traurig, aber nicht so sehr, wie sie es erwartet hatte. Ihre Gespräche mit der Göttlichen Mutter führte sie weiter, in ihrem eigenen Inneren.

Zwei Jahre später heirateten Rosalie und Ferdinand. Bei der Hochzeit stand sie auch zum ersten mal Heiner wieder gegenüber. Er sah gut aus, hatte viel erlebt und sich ausgesöhnt mit dem, was sen Schicksal nun einmal war. So waren sie alle wieder vereint.

Als Ferdinand seine schöne Frau über die Schwelle des kleinen Hauses, dass er mittlerweile errichtet hatte, direkt in das neue, gemeinsame Schlafzimmer trug, da sah sie als allererstes die Statue der Mutter Gottes stehen.

Ihr kamen die Tränen über diese zärtliche Geste ihres Mannes.

 

Die Statue war „bearbeitet“ worden. Schön geschliffen, poliert und geölt war sie worden – Rosalie erkannte die Handschrift ihres Bruders darin. Aber noch etwas war anders an der Maria, die sie so liebte. Sie war bemalt worden, wunderschön bemalt. Ein Künstler war hier am Werk gewesen – aber kein normaler Maler.....

Die Mrienfigur erstrahlte in einer Süsse, die neu an ihr war.

Ferdinand gestand, das er diese Bemalung sich erdacht hatte. Er, der noch nie in seinem Leben mit Farben gearbeitet hatte, hatte sich von der Natur hierbei helfen lassen.

Er hatte den Himmel beobachtet an seinen schönen Tagen, hatte mit der Farbe gerungen, bis ihm dieses leuchtende, wundervolle Himmelsblau für den Mantel gelungen war. Die rosaroten Wangen hatte er den Rosen abgeschaut, einer Sorte, die er besonders liebte. Er hatte die Schattierungen einzelner Blütenblätter als Vorbild für die Zartheit der Haut genommen.

Das Gold des Halbmondes, auf dem die Mutter Gottes stand, hatte er der Nacht abgeschaut. Es war sehr schwer gewesen, das blasse Gold des Mondes umzusetzen, ohne es fahl und kühl wirken zu lassen.

Und bei all dem, so erzählte er, sei die Muttter Gottes neben ihm gestanden, habe ihm zugesehen mit dieser Süsse in dem schönen Gesicht – wie es gekommen war, dass diese Süsse in der Statue nun wiederzufinden war, konnte allerdings Ferdinand auch nicht erklären.

Button 1.PNG
bottom of page